Das Dehnen (oder auch Stretching) ist in der Trainingswissenschaft und Sportmedizin ein seit vielen Jahren kontrovers diskutiertes Thema. Da es bisher kein klares Für und Wider gibt, muss hier differenziert werden und jeder Einzelne für sich entscheiden, wie und wann das Dehnen für ihn richtig ist.

Fakt ist aber, dass v.a. Menschen, die unter Verspannungen leiden, unbeweglich sind oder eine immer wieder kehrende, gleiche und monotone Bewegung ausführen, von gezielten Stretching Übungen profitieren können.

Richtig dehnen

Was genau passiert eigentlich in unseren Muskeln, wenn wir uns dehnen?


Jeder Muskel in unserem Körper hat einen Ursprung und einen Ansatz. Spannen wir z.B. unseren Oberarmbeuger an (im Alltag oder auch gezielt im Training), so nähern sich der Muskelursprung (am Oberarm) und sein Ansatz (am Unterarm) an und der Ellenbogen beugt sich.

Beim Dehnen ist dies genau umgekehrt: Ursprungs- und Ansatzpunkt entfernen sich voneinander und der Muskel wird in die Länge gezogen, wodurch sich der Ellenbogen streckt.

Jeder Muskel in unserem Körper kann auf diese Art angespannt und auch gedehnt werden.

Warum ist Dehnen wichtig?


Wenn Du im Alltag viel sitzt, kennst Du vielleicht das Gefühl, verspannt und unbeweglich zu sein. Dies liegt daran, dass Deine Muskeln in dieser Position jeden Tag über viele Stunden hinweg nicht in ihrer vollen Länge genutzt werden, sich an diese Haltung anpassen und somit an Beweglichkeit verlieren. Regelmäßiges Dehnen kann dem entgegenwirken.

Ein weiteres Beispiel sind Läufer. Dehnen macht unsere Muskeln beweglicher und geschmeidiger, unser Laufstil wird flüssiger und ökonomischer. Es ,läuft‘ besser und einfacher.

Außerdem ist es möglich, durch Dehnen Stress zu reduzieren. Es hilft uns, Körper und Geist zu beruhigen.

Statisches oder dynamisches Dehnen?


Neben dem klassischen, statischen Dehnen, bei dem Du die eingenommene Position 10-20 sec halten solltest, kannst Du Dich auch dynamisch dehnen. Hierzu nimmst Du abwechselnd die Dehnposition ein und verlässt sie wieder kurz. Dies gleicht einem Wippen, wobei aber ruckartige Bewegungen zu vermeiden sind. Optimal ist auch hier ein regelmäßiger Wechsel zwischen den verschiedenen Dehnmethoden.

Für Fortgeschrittene: Isometrisches Dehnen


Eine weitere interessante Form des Dehnens stellt das isometrische Dehnen, auch Anspannungs-Entspannungs-Dehnen genannt, dar.

Dabei begibst Du Dich in die Dehnposition, spannst jedoch zunächst den entsprechenden Muskel isometrisch für einige Sekunden an (Anspannen des Muskels, ohne dass sich eine sichtbare Bewegung vollzieht). Direkt im Anschluss verstärkst Du nun die Dehnposition, bis Du einen leichten Dehnschmerz wahrnimmst. Diesen Wechsel zwischen Anspannung und Dehnung kannst Du ein paar Mal wiederholen.

Da diese Art des Dehnens sowohl Vorerfahrung als auch ein gutes Körpergefühl voraussetzt, ist diese Variante vorwiegend für Fortgeschrittene gedacht.

Wann sollte ich dehnen?


Immer wieder stellt sich auch die Frage danach, wann wir uns am besten dehnen sollten. Da gibt es die Meinung, dass ein Dehnen vor dem Sport Verletzungen vorbeugt, während ein Dehnen nach der Trainingseinheit vor Muskelkater schützt. Weder das eine noch das andere ist jedoch bisher bewiesen (siehe Mythen).

Wir müssen das Ganze differenziert betrachten. Bei Sportarten wie dem Sprint oder dem Fußball, bei denen Schnellkraft und schnelle, explosive Richtungswechsel entscheidend sind, wäre ein vorgeschaltetes Dehnen kontraproduktiv, da der Muskulatur so die nötige Spannung entzogen würde.

Ist eine gute Beweglichkeit jedoch eine leistungsbestimmende Determinante Deiner Sportart, kann ein vorab durchgeführtes Beweglichkeitstraining durchaus sinnvoll sein.

Wenn Du generell beweglicher werden möchtest, kann auch ein separates, von anderen Trainingseinheiten losgelöstes Stretchingprogramm sehr sinnvoll sein. Hier kannst Du z.B. unseren Faszienkurs nutzen.

Für den Freizeit- und Gesundheitssportler gilt bis dato: Probiere aus, höre auf Deinen Körper und schaue, was Dir am besten bekommt und gefällt.

Doch egal ob nun vor oder nach der Trainingseinheit oder davon losgelöst, immer gilt: Erwärme Dich und Deine Muskulatur vorab, um unnötige Verletzungen und Zerrungen zu vermeiden.

Die 3 häufigsten Mythen übers Dehnen


1. Dehnen schützt vor Verletzungen und beugt Muskelkater vor

Hierfür gibt es keine wissenschaftlichen Belege. Stretching verbessert unsere Beweglichkeit, was zu einer allgemeinen Steigerung unseres Fitnesslevels beiträgt. Dehnen hat aber keinen direkten Einfluss auf eine Verletzungsprophylaxe.

Es gilt: Wärme Dich vor jeder Trainingseinheit auf, um das Verletzungsrisiko zu verringern. Führst Du intensive Belastungen ohne Erwärmung aus, ist die Wahrscheinlichkeit eines Muskelkaters höher.

2. Dehnen hilft bei Zerrungen

Eine Zerrung ist immer ein Anzeichen dafür, dass Du Deine Muskulatur überbeansprucht hast. Kleine Verletzungen in den sog. Muskelfasern führen dann zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen. In diesem Fall ist ein Dehnprogramm kontraproduktiv und Du solltest damit warten, bis die Zerrung wieder abgeklungen ist und die Schmerzen verschwunden sind. Gleiches gilt für starken Muskelkater.

3. Durch Dehnen kann jeder gleich beweglich werden

Hierbei handelt es sich ganz klar um einen Mythos. Die Beweglichkeit jedes einzelnen Menschen ist durch seine individuelle Genetik bestimmt. Nur innerhalb dieses Bereiches können wir uns verbessern oder auch verschlechtern.

Fazit


Probiere es einfach aus, höre auf Deinen Körper und finde heraus, ob und welche Form des Dehnens Dir hilft, beweglicher und ausgeglichener zu werden.

Wenn Du zu diesem Thema Fragen hast, kannst Du uns gerne kontaktieren. Wir freuen uns immer, Dir auf dem Weg zu Deinem ganz persönlichen Fitnessziel helfen zu können.