Neulich erzählte mir ein Freund, der lange an einem Achillessehnenproblem zu knabbern hatte, sein Therapeut habe ihm empfohlen, sich täglich während des Zähneputzens auf die Zehenspitzen zu stellen und wieder abzusetzen, aufzustellen, abzusetzen, aufzustellen und so weiter. Bis beide Kiefer geputzt seien. Damit trainiere er die untere Bein-Muskulatur, was längerfristig zu einer Entlastung der Sehne führen könne. Ich mache das auch seitdem. Zwar habe ich (toi toi toi) keine Probleme mit der Sehne, aber wenn man 3x täglich Zähne putzt und dabei diese Übung ausführt, sind das über den Tag schon 9 Minuten gezieltes mini-Training. Das ist eine ganze Menge.

Training im Alltag

Mein Partner hatte einen Triathlon-Trainer, der ihm empfahl, auf dem Boden liegende Geschirr- oder Handtücher mit den Füßen aufzuheben. Super Übung für die Fußmuskulatur! Und irgendwas gibt es im Haushalt ja immer aufzukrallen. Haben wir dann beide gemacht – und überdies oft sehr gelacht dabei, und das ist ja bekanntlich auch gesund und trainiert die Muskeln.

Wenn ich aus der U-Bahn steige, trennt sich die Spreu vom Weizen: Die meisten Fahrgäste nutzen die Rolltreppe: rechts stehen, links gehen (in einigen Ländern ist es übrigens genau andersherum, also schaut immer, wie es die Locals machen!); nur ein paar Wenige nehmen die Treppe. Sie betreiben, ob sie nun wissen, dass sie es tun oder nicht, das, was man neuerdings „incidental exercises“ nennt: Kleine sportliche Einheiten, so ganz nebenbei, ohne Geräte ohne Fitness-Studio-Abo, ohne Aufwand aber ziemlich praktisch und auch effizient, wenn man incidental mehr als nur sporadisch in seinen Alltag einbaut.

Sicher macht ihr das auch schon an der einen oder anderen Stelle. Die Regelmäßigkeit aber macht’s und hilft uns, Muskeln zu wecken und zu trainieren, auf sehr unkomplizierte und natürliche Weise, unseren Puls für eine kurze Zeit nach oben zu treiben. So merken wir in all der fremd gesteuerten Hektik, dass wir noch am Leben sind, und die Durchblutung freut’s.

Treppensteigen statt Aufzug oder Rolltreppe – ich denke, das ist eine der klassischsten Nebenbei-Sport-Alltags-Übungen. Was gibt es noch?

Gehen statt fahren


Wenn ihr mit der U- oder Straßen-Bahn oder mit dem Bus zur Arbeit oder zu Freunden fahrt, plant etwas mehr Zeit ein und steigt einfach 1-2 Stationen vor dem eigentlichen Zielbahnhof aus; oder, wenn ihr mit dem Auto fahrt: parkt einfach etwas weiter weg.

Der kleine Gehweg hilft euch nicht nur, eure Ausdauer und euren Bewegungsapparat zu üben, sondern verhilft euch auch zu neuen Eindrücken oder dazu, Dinge zu überdenken oder den Stress einfach ins Gebüsch zu schicken.

Meetings mobil


Überhaupt das Gehen: ich kenne mittlerweile einige beruflich sehr erfolgreiche Mitmenschen, die ihre geschäftlichen Unterredungen bei einem Spaziergang abhalten. Wer sich, vor allem im Freien, bewegt, hat mehr Sauerstoffzufuhr, das Gehirn ist besser durchblutet, und die physische Bewegung kurbelt auch die mentale an (das machen sich auch Pädagogen zunutze, wenn sie Kindern in Bewegung Lehrstoff beibringen).

Telefon-Trab


Das Prinzip des Gehens beim Sprechen funktioniert auch bei (längeren) Telefonaten: Nicht sitzen bleiben, sondern aufstehen und leicht herumschlendern (gesetzt, es stört die Kollegen nicht). Ist gut für den Rücken und lässt euch besser argumentieren. Noch ein Pluspunkt: Eure Stimme klingt sonorer und lebendiger, und damit überzeugender während Ihr geht oder steht.

Nach dem Essen tausend Schritte


Ein weiterer Klassiker. Statt vom Schreibtisch zur Kantine zu gehen und sich dort auf den nächsten Stuhl plumpsen zu lassen und dann dasselbe wieder retour, lässt sich auch ans (verkürzte) Mittagsmahl ein kleiner Spaziergang anschließen. Dann kehrt man erfrischt und revitalisiert zur Arbeit zurück, und der restliche Tag hat gleich eine ganz andere Färbung. (Übrigens macht es zusätzlich frischer und wacher, wenn man nach der Rückkehr die Zähne putzt. Da lässt sich ja dann auch die Sache mit den Zehenspitzen wieder einflechten ;-))

Kurbelnd zum Einkauf


Ökologisch, praktisch, gut: Kleinere Besorgungen oder Einkäufe lassen sich perfekt mit dem Fahrrad erledigen. Damit kommt nicht nur der Bewegungsapparat in Schwung und bewegt man sich an der frischen Luft; man ist auch umweltfreundlicher unterwegs als mit dem Auto und erspart sich die oft Zeit raubende und lästige Parkplatzsuche. Fahrradkorb und Rucksack bieten guten Stauraum für die Einkäufe.

A statt Z: Aufstehen statt Zappen


Es wird ja gerne gestichelt, dass Frauen wegen ihrer vermeintlichen Technikfeindlichkeit die Fernbedienung neben den Fernseher legen. Ab sofort wird nicht mehr gestichelt, denn natürlich haben Frauen Recht; sie verleiten durch diese Geste nämlich zum incidental exercising: Anstatt faul auf dem Sofa zu hocken und, die Fernbedienung in der Hand, zu zappen, steht einfach auf und geht zum Umschalten zum Fernseher. Dann schlafen auch die Füße nicht ein.

Drucker-Lauf


Ein ähnliches Prinzip lässt sich im Büro umsetzen: Büromaterialien oder Drucker in einen anderen Raum, am besten noch in eine andere Etage stellen. So seid ihr ermuntert, für Material-Nachschub oder den Ausdruck vom Schreibtischstuhl aufzustehen. Dynamisiert und lässt auch hier die Gedanken kurz fließen. Beides hilft euch für die Arbeitsschritte danach.

Ein weiterer Tipp fürs Büro: Der 5 minütige Büro-Flow mit Alex. Lockert, entspannt und lässt Ideen fließen.

Bizeps an der Bushaltestelle


In amerikanischen Filmen sieht man gerne Manager im Anzug am Taxistand oder an der Haltestelle ihre Aktentasche liften; ganz so, als hätten sie eine Hantel in der Hand. Das mag ein wenig albern aussehen, aber wen kümmert’s. Macht’s wie die Manager, verwandelt eure Taschen, auch die Einkaufstüten, in Gewichte. Am besten verteilt ihr zwei Taschen auf beide Arme. So ist die Wartepause besser genutzt, als durch den millionsten Blick aufs Handy-Display. Je leichter die Taschen, desto mehr Wiederholungen, je schwerer die Taschen, desto weniger.

Es ist klar, dass nicht alle incidental exercises für Jede/n taugen. Auch sind nicht stets alle Pausen zu füllen und Situationen für Übungen zu nutzen. Incidental heißt „nebenbei“ und „gelegentlich“, und das ist das Schöne an den Übungen. Auch gezieltes tiefes Durchatmen ist eine sehr gute Option, wieder zu sich und zu neuen Kräften zu kommen.

Findet heraus, was sich für euch umsetzen lässt und auch gesundheitlich passt. Seid kreativ und erfindet selbst kleinere Gelegenheits-Übungen für den Alltag – und teilt sie gerne mit uns!

Viel Spaß beim Ausprobieren und fit bleiben – so ganz nebenbei

Nic Leonhardt

Nic begleitet das fitkurs-Team als freie Autorin und Texterin. Sie fasst Bewegung in Worte. Ein guter Tag beginnt für Nic stets mit Yoga und Gymnastik und kleinen ayurvedischen Ritualen.